Regelmäßig wird von der Verwaltung ein nachhaltiges Konzept für alternative Nutzungen des geplanten Fußballstadions erwähnt. Es ist jedoch am geplanten Standort extrem schwierig zu realisieren. Analog zu Schrödingers Katze schließen wir, dass das unbestimmte Nutzungskonzept also gleichzeitig lebendig und tot ist.
„Die Stadt Oldenburg plant den Neubau eines Fußballstadions für den VfB Oldenburg am Standort Maastrichter Straße im Stadtteil Donnerschwee.“ (Machbarkeitsstudie 2017,
S.76) . Dass dies eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV darstellt, ist unstrittig. Warum das so ist, können Sie hier nachlesen: „Kann ein Drittliga-Fußballstadion tatsächlich eine staatliche Beihilfe sein?“
Ob die Wettbewerbsaufsicht der Europäischen Kommission also die städtische Infrastrukturmaßnahme für die „VfB Oldenburg Fußball GmbH“ als zulässig betrachten wird, hängt vor allem stark von einer kulturellen und/oder Nutzung des Stadions für den Jugend- und/oder Breitensport ab: „Die bisherige Prüfung unseres Rechtsamtes kommt in Bezug auf das EU-Beihilfenrecht zu dem Ergebnis, dass eine verbindliche Einschätzung der Maßnahme derzeit noch nicht möglich ist, da die notwendigen Informationen zum Betriebs- und Nutzungskonzept des Stadions noch nicht vorliegen.“ (Quelle: Schriftliche Auskunft des Finanzdezernentin der Stadt Oldenburg vom 23. Mai 2023.)
Erst wenn entschieden wird, wie das Stadion genutzt und entsprechend gestaltet werden soll – wenn also ein tragfähiges Nutzungskonzept vorliegt – kann ein Planungsbüro beauftragt werden, Maßnahmen für die geforderte Infrastruktur zu entwickeln und deren Kosten zu berechnen. Das Nutzungskonzept muss logischerweise am Anfang der Planung stehen. Nach sieben Jahren "Vorplanung", für die bisher schon gut eine Millionen Euro von der Stadt Oldenburg bewilligt (Quelle: Stadt Oldenburg) und teilwiese auch schon ausgegeben worden sind, wurde (Stand 2. Juli 2023) noch nicht einmal entschieden, wer das Nutzungskonzept erarbeiten soll.
Bei manchen andren Arenen in städtischer Hand wird dies durch eine diskriminierungsfreie Nutzung durch den Breitensport erreicht, so auch im Oldenburger Marschwegstadion. Das Eintracht-Stadion in Braunschweig ist etwa das größte Leichtathletikstadion in Norddeutschland. In der Fußballstadt Gelsenkirchen spielt der FC Schalke 04 in einer Multifunktionsarena mit einem schließbaren Dach und einem verschiebbaren Spielfeldrasen. Hier gibt es z. B. Konzerte oder Opernaufführungen und sogar regelmäßig Biathlonwettbewerbe. Die Oldenburger Stadtverwaltung hat ihr Stadionprojekt mit der
Beihilfe für den Umbau des Stadions des Chemnitzer F.C. verglichen. Der Vergleich hinkt! Diese Beihilfe wurde im Jahre 2013 notifiziert und von der EU-Wettbewerbsaufsicht nach Prüfung durchgewinkt, da die Stadt Chemnitz der Wettbewerbsaufsicht u. a. versicherte, dass der
Pachtvertrag des Chemnitzer F.C. sicherstellt:
dass Amateure, in erster Linie Fußballspieler der Jugendklassen, Zugang zum Stadion haben und kulturelle Veranstaltungen dort durchgeführt werden können, was in den typischen Aufgabenbereich einer Gemeinde fällt. Es fehlt bislang an vergleichbaren Einrichtungen in Chemnitz. Dem örtlichen Fußballverein steht kein alternatives Stadion zur Verfügung; vorhandene Einrichtungen für Sport- und andere Veranstaltungen sind für Massenveranstaltungen ungeeignet. Das Stadion vom Chemnitz ist somit das einzige große Stadion vor Ort.
In Chemnitz werden für nicht gewerbliche Veranstaltungen und Seminare der VIP- und Presseraum des Stadions genutzt. Der CFC wurde … vertraglich verpflichtet, das Stadion der Stadt Chemnitz für diese Zwecke kostenfrei zu überlassen; die Stadt wiederum stellt es dann den anderen Nutzern zur Verfügung.“ (Quelle: Wettbewerbsaufsicht der Europäischen Kommission.)
Das unbekannte Nutzungskonzept
Eltje Jahnke, Vertreterin der anerkannten Träger der freien Jugendhilfestelle, fragte auf einer Sitzung des Sportausschusses des Oldenburger Stadtrates:
welche Nutzungsmöglichkeit es für das Stadion am Standort Maastrichter Straße gibt, welche nicht durch die Weser-Ems-Hallen und die EWE-Arenen sowie die anderen Sportstätten in Oldenburg abgedeckt würden?
In seiner Antwort verweist Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD)
auf positive Beispiele von Nutzungen anderer Stadien wie beispielsweise das Rudelsingen im Stadion "An der Alten Försterei" in Berlin zu Weihnachten. (Quelle:
Sitzung des Sportausschusses, 8. Februar 2023)
Da es ja bisher offiziell noch kein Nutzungskonzept für das geplant Fußballstadion gibt, dass über die 20 jährlichen Heimspiele der „VfB Oldenburg Fußball GmbH“ hinausgeht, können wir nur die Nutzungen der Arenen in anderen Städten als Beispiele heranziehen. Dabei stellen wir fest, dass für alle genannten Nutzungen in Oldenburg kein wirklich großer Bedarf für eine zusätzliche Infrastruktur bestehen kann. Denn die Stadt Oldenburg hat am Marschweg bereits ein Stadion für den Breitensport, das sogar 3.000 Zuschauer mehr fasst, als der geplante Neubau an der Maastrichter Straße. Außerdem befinden sich in Oldenburg, direkt angrenzend an das vorgesehene Areal, die Weser-Ems-Hallen:
„Die rund 13.500 Quadratmeter überdachte Hallenfläche … setzen sich aus Kongresshalle mit Kongresszentrum – zwei Festsälen, sechs Seminar- und Konferenzräumen, Messehalle sowie der kleinen und großen EWE ARENA zusammen. Insgesamt sind die multifunktionalen Weser-Ems Hallen dabei Schauplatz von Messen und Ausstellungen, Konzerten, Tierschauen, Shows, Sportveranstaltungen, Bällen und Partys, Theatervorstellungen sowie von Tagungen oder Seminaren.“
(Quelle: Grundstücksangebot der Stadt Oldenburg)
Für alle bisher von der Politik genannten Nebennutzungen des für den Drittliga-Fußball geplanten Stadions, wie zum Beispiel Rudelsingen, Konzerte und die Hospitality-Räume der Stadiongastronomie, gibt es in Oldenburg bereits eine passende Infrastruktur mit ausreichender Kapazität, so etwa direkt nebenan die voll überdachte Große EWE-Arena und deren moderne VIP-Lounge.
Immer wenn es um das Thema "Beihilfe" für die VfB Oldenburg Fußball GmbH geht, verweist die Verwaltung der Stadt Oldenburg darauf, dass „die planungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Stadion geschaffen wurden, das den Anforderungen des Profisports ‑ insbesondere mit dem Blick auf die Vorgaben des Deutschen Fußball Bundes (DFB) für Spielstätten der 3. Liga und perspektivisch auch der 2. Bundesliga ‑ entspricht und auch multifunktional für andere Großveranstaltungen genutzt werden kann“ (aus Vorlage 22/0362 vom 31. Dezember 2022). Es fällt auf, dass diese angeblich möglichen Großveranstaltungen weder in der Verkehrsplanung, noch im Lärmschutzplan berücksichtigt worden sind. Es fehlt für solche Großveranstaltungen sowohl der Bedarf (s.o.), wie der politische Wille:
So sagte Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) in der Ratssitzung vom 27. Februar 2023:
Aber im Kern ist es ein Fußballstadion, daran gibt es nichts zu drehen.“
Der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, Ratsherr Ulf Prange ergänzte:
„Wir planen und entscheiden nur für ein Fußballstadion, keine Multifunktionsarena.“
Fazit
So wie derzeitig die Planung eines durch die Stadt Oldenburg finanzierten Stadions für den Drittliga-Fußball von Oberbürgermeister Krogmann vorangetrieben wird, kann es wettbewerbsrechtlich nicht zulässig sein. Am 3. Juli 2023 wurde endlich entschieden, den Auftrag zur Planung eines Nutzungs- und Betriebskonzeptes auszuschreiben. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein realistisches Nutzungskonzept reichen wird, um die wettbewerbsrechtliche Hürde zu überwinden.
Ergänzung: Ende Dezember 2023 wurde dann endlich ein fragwürdiges Nutzungs- und Betriebskonzept einer Hamburger Unternehmensberatung für das Sportbusiness veröffentlicht. Eine ausführliche Analyse finden Sie hier.